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“Eine Gemeinde wie eine Familie, das wünsche ich mir”

Im zweiten Teil unseres Interviews mit unserem Vorsteher geht es um seine Sicht auf die Gemeinde und welche Entwicklungen er sich für die Gemeinde wünscht.

Lieber Andreas, jetzt lass uns doch mal ein bisschen über unsere Gemeinde sprechen. Du hast sicherlich kein “Regierungsprogramm”, aber wahrscheinlich doch ein paar Dinge, die dir für uns als Gemeinde wichtig sind oder die für dich Schwerpunkte deiner Arbeit sein könnten.

Mir wäre es wichtig, dass wir das bewahren können, was meiner Frau Kathrin und mir bei unseren ersten Besuchen hier in Falkensee so besonders wohltuend aufgefallen ist und was ja auch als eine Art Leitspruch im Eingangsbereich unserer Kirche steht „Komm, wie du bist“. Das bei aller Vielfalt der menschlichen Charaktere, die bei uns vertreten sind, zu bewahren, ist sicherlich ein Schwerpunkt. „Ich kann mir meinen Bruder und meine Schwester in der Gemeinde nicht aussuchen“, hat unser Bezirksapostel kürzlich in einem Gottesdienst gesagt und das stimmt auch. Ich finde aber, wir können uns aussuchen, wie wir miteinander umgehen wollen, auch im Falle eines Konflikts. Das dieser Umgang wertschätzend bleibt, wäre mir ein besonderer Wert, den ich pflegen möchte. In unserer Gemeinde soll sich jeder willkommen fühlen, in ihr soll Jesus Christus im Mittelpunkt stehen und allen die Aufgabe bewusst sein, sich an seinem buchstäblich christlichen Vorbild zu orientieren.

Wie verstehst du den Begriff “Gemeinde”?

Erstmal ist für mich Gemeinde kein Selbstzweck, es geht nicht nur darum, sich ab und zu dort zu treffen. Gemeinde ist für mich da, um gemeinsam sein Leben zu meistern, andere an Freud und Leid teilhaben zu lassen, Trost zu erfahren und gemeinsam, das gleiche Ziel verfolgend, Gott erleben zu können. Ich möchte dabei helfen, dass dies alle Gemeindemitglieder so erfahren können.

Ist für dich der Fusionsprozess der beiden alten Falkenseer Gemeinden in die neue bereits abgeschlossen oder siehst du noch Potentiale zum weiteren Zusammenwachsen?

Ich empfinde es so, dass wir bereits eine Vielzahl von Schritten aufeinander zu geschafft haben, der Fusionsprozess ist ja schließlich auch älter als die 18 Monate, die wir nun zusammen sind. Gleichwohl gibt es in jeder Gemeinde Besonderheiten, die in der DNA einer Gemeinde liegen. Wenn nun beide Gemeinden über 100 Jahre lang solche Eigenheiten ausprägen konnten, wundert es nicht, dass dies da und dort noch erkennbar ist, insbesondere bei denen, die ihr ganzes Leben in dieser Gemeinde verbracht haben. Ich glaube, so richtig zusammenwachsen kann man erst, wenn man wirklich zusammen ist und Zeit miteinander verbringen kann. Und ich kann erkennen, dass sich alle Mühe geben, das gibt mir Zuversicht. Man darf auch nicht verkennen, dass die beiden „alten“ Gemeinden schon vieles miteinander gemeinsam hatten, u. a. im Besonderen auch Werte, Ziele und die Ausrichtung auf Jesus Christus. Darin sehe ich ein gutes Fundament für die Zukunft.

Glaubst du, dass die Einschränkungen des Gemeindelebens in der Corona-Pandemie uns in diesem Prozess geschadet haben?

Zwischenmenschliche Beziehungen wachsen in der Gemeinschaft, die man miteinander hat. Insofern denke ich schon, dass dieses Jahr nicht hilfreich war, auch, weil virtuelle Treffen oder Telefonate nicht in Gänze das persönliche Miteinander ersetzen können, wobei es immer noch mehr und besser ist als nichts. Ich denke aber auch an die ersten Gottesdienste nach dem ersten Lockdown zurück, die im Juni 2020 stattfanden. Da habe ich so viel Freude am Wiedersehen untereinander bei den Glaubensgeschwistern erlebt und gesehen, da war das Gemeinsame einer Gemeinde schon zu 100% da. Diese Vorfreude, ja Sehnsucht nach der Gemeinde, die erlebe ich auch jetzt immer wieder in Gesprächen mit den Geschwistern. Es ist wohl wie fast immer, wo Licht ist, ist halt auch Schatten, oder, wie es hier besser passt, umgekehrt.

Im November 2021 ist der Besuch des Stammapostels Schneider in unserer Gemeinde geplant. Für wie wahrscheinlich hältst du es, dass dieser Gottesdienst ohne Einschränkungen stattfinden kann und gibt es bereits Planungen, die dazu in der Gemeinde stattfinden?

In der Tat, der Besuch des Stammapostels ist wohl DAS Highlight des Jahres bei uns, insofern hoffe ich einfach nur, dass sich bis dahin die derzeit bestehenden Einschränkungen vollständig erledigt haben. Wissen tue ich das natürlich auch nicht, aber beten können wir täglich dafür. Zu meinem Glauben, dass Beten hilft, gehört natürlich dann im Idealfall auch dazu, dass man plant, als wenn der Termin bereits feststände. Insofern gibt es natürlich Planungen sowohl bei der Kirchenverwaltung und unserem Bezirksvorsteher, mit denen ich dazu bereits in Kontakt stehe, als auch erste Überlegungen innerhalb unserer Gemeinde. Das ist sicherlich aber eine besondere Herausforderung, solange die Kontakteinschränkungen weiter bestehen.

Vielleicht schauen wir einfach solange mal ein wenig in die fernere Zukunft. Was wäre für dich ein langfristiges Ziel für unsere Gemeinde, du bist ja noch jung, also sagen wir mal für das Jahr 2030?

Die Frage kann ich natürlich ganz einfach mit unserem Glaubensziel beantworten, wir warten auf das Wiederkommen des Sohnes Gottes, und ich würde mich riesig freuen, wenn das bis dahin bereits gewesen wäre. Ich kann aber meine persönliche Erwartung trotzdem dazu nutzen, etwas zu verändern, das tun wir alle ja in unserem Leben genauso. Wir legen nicht die Hände in den Schoß und warten, bis es soweit ist, sondern wir tun das Beste, um das Beste zu schaffen. Ich fände es großartig, wenn wir es schaffen könnten, als Gemeinde ein Anziehungspunkt auch für Menschen zu sein, die Gott noch nicht so kennen, wie wir es vielleicht tun. Dazu ist es unerlässlich, eine tiefe Kultur der Wertschätzung zu haben, die nicht daran geknüpft ist, dass die oder der andere so ist, wie ich es mir wünschen würde. Ich würde mein Ziel darin sehen, dass wir eine Gemeinde sind, die sich für jeden, die mit ihr in Kontakt kommt, wie eine, im positiven Sinn verstanden, Familie anfühlt.

Wie bewertest du die Seelsorge und Betreuung von Kindern und Jugendlichen in unserer Gemeinde, hast du konkrete Ideen für Veränderungen?

Erstmal möchte ich betonen, wie dankbar ich allen denen bin, die sich in diese anspruchsvolle Arbeit stürzen und für mich immer wieder mit begeisternden Ideen und Impulsen mit diesen beiden Gruppen, die unsere Zukunft darstellen, beschäftigen. Sie machen das großartig und ich weiß, dass ihnen allen bewusst ist, dass Leben auch Veränderung bedeutet. Stillstand ist Rückgang, sagt man ja landläufig. Stell dir mal vor, die Unterrichte wären heute noch so wie vor dreißig Jahren…. Undenkbar, das würde heute nicht mehr funktionieren! Insofern bin ich davon überzeugt, dass sich Dinge ändern werden, aber ich weiß, dass wir neue Ideen und Konzepte nur im Kreis der Lehrerinnen und Lehrer und den Jugendbetreuern gemeinsam entwickeln und umsetzen können. Ich bin insofern auch auf die Offenheit und Kreativität aller angewiesen, wenn Änderungen anstehen sollten. Was die Jugendlichen angeht, möchte ich noch betonen, dass ich in der Jugend nicht nur die Zukunft sehe, sondern auch und besonders die Gegenwart. Das bedeutet für mich, dass wir als „Ältere“ den Jugendlichen nicht einfach sagen können, wie sie Kirche heute zu sehen und akzeptieren haben. Vielmehr sollten die Jugendlichen schon heute die Möglichkeit haben, zu einem gemeinsamen Konzept des Gemeindelebens mit ihren Vorstellungen beitragen zu können. Dabei sollten wir ihre Wünsche und Ideen nicht nur respektieren und ernst nehmen, sondern auch umsetzen.

Manchmal werden gerade die Angebote für die Kinder, die während des Gottesdienstes stattfinden, als Spielkreis verstanden, um den Eltern einen ungestörten Gottesdienst zu ermöglichen. Wie siehst du das?

Ich sehe in unseren Lehrkräften Geschwister, die den Kindern Gott und seinen Sohn kindgerecht näher bringen. Die Kinder lernen ihren Gott kennen und erfahren viele interessante Dinge über ihn. Insofern ist der Gedanke, dass die Kinder dort nur „geparkt“ werden, für mich abwegig. Ich sehe den Auftrag der Lehrkräfte darin, die Kinder in eine erste Beziehung zu Gott und Jesus zu führen. Wichtig ist aber auch, dass die Kinder dann noch im Gemeinde- und vor allem ihren Familienalltag diesen Gott, von dem sie gehört haben und diesen Jesus, der so viel für uns alle getan hat, erleben. Dann wachsen sie in einem starken Glaubensumfeld auf, in dem sich Glaube entwickeln kann und das wünsche ich jedem Kind von Herzen.

Vor kurzem wurde bekannt gegeben, dass die Gebietskirche Berlin-Brandenburg in absehbarer Zeit in die Gebietskirche Nord- und Ostdeutschland integriert wird. Kam das für dich überraschend? Wie denkst du über die Fusion?

So richtig überraschend war das sicher nicht, wenn man die Entstehungsgeschichte der Gebietskirche Nord- und Ostdeutschland verfolgt hat. In der Tat fährt ja der Bezirksapostel aus Hamburg quer durch unsere Gebietskirche, um zu den Gemeinden z.B. in Sachsen zu gelangen. Von daher war diese strategische Entscheidung der Kirchenleitung zu erwarten. Ich sehe in dieser Fusion durchaus eine Chance, wenn man sich die Ressourcen, und damit meine ich insbesondere personelle und kreative Ressourcen, anschaut, die naturgemäß um etliches größer sind als die, die wir derzeit haben. Daraus entstehen neue Möglichkeiten bis in die Gemeinden hinein. Was wir sicherlich etwas vermissen werden, ist die schon familiär anmutende Atmosphäre unserer kleinen Gebietskirche. Unser Bezirksapostel kennt z.B. alle Vorsteher der Gemeinden seines Arbeitsbereichs mit Namen und hat dabei auch ein Bild vor Augen, das ist zukünftig wohl kaum noch möglich. Auch die Regelmäßigkeit, mit der der Bezirksapostel oder der Apostel in den Gemeinden zu Besuch war, werden wir künftig so nicht mehr erleben können. Ich kann mir gut vorstellen, dass uns diese Veränderung auffallen wird. Ich glaube aber auch, dass uns die Auswirkungen weniger beschäftigen werden als unser eigener Gemeinde-Fusionsprozess.

Hast du noch einen besonderen abschließenden Gedanken am Ende dieses Interviews?

Nur vielleicht so viel: Ich möchte nicht als der neue und junge Vorsteher wahrgenommen werden, der sagt, wie Gemeinde zu funktionieren hat. Ich möchte nicht unseren Dirigenten sagen, wie sie singen lassen sollen. Oder unseren Organisten, wie oder was sie spielen sollen. Auch unseren Lehrkräften möchte ich nichts „vorschreiben“. Die Aufzählung könnte ich noch fortsetzen, aber ich hoffe, es wird deutlich, dass ich mich in erster Linie als „Möglichmacher“ verstehe. Ich möchte unterstützen, wo immer Kreativität und Aufgabenverantwortung andere zu Ideen und Entscheidungen führen und natürlich bringe ich mich auch mal gerne selbst mit ein, wenn ich mal eine Idee habe. Auf diese Form der Zusammenarbeit freue ich mich sehr.

Lieber Andreas, herzlichen Dank für dieses interessante Gespräch, wir wünschen dir alles Gute für deine anspruchsvolle Aufgabe.